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Definitionen
Internationaler Handel wird häufig als grenzüberschreitender Kauf und Verkauf von Waren und Dienstleistungen definiert. Die Wechselwirkungen zwischen internationalem Handel und Migration hängen von mehreren Faktoren ab, wie z. B. dem Herkunftsland, den Märkten in den Herkunfts- und Zielländern, der Zuwanderung, der Zahl der Migrantinnen und Migranten im Aufnahmeland, der Migrationspolitik sowie etwaigen bilateralen Handelsabkommen und Zöllen.
Der Dienstleistungshandel ist das wachstumsstärkste Segment des internationalen Handels. Im Allgemeinen Abkommen über den Handel mit Dienstleistungen (GATS) wird zwischen vier Erbringungsarten unterschieden: grenzüberschreitende Erbringung, Inanspruchnahme im Ausland, geschäftliche Anwesenheit und Anwesenheit natürlicher Personen. Unter die vierte Erbringungsart fallen Personen, die aus ihrem Land in ein anderes reisen, um Dienstleistungen zu erbringen (WTO, 2015); diese Erbringungsart gehört damit zur Arbeitsmobilität.
Migration beeinflusst den bilateralen Handel auf zwei Wegen:
(1) Effekte durch Transaktionskosten: Migrantinnen und Migranten verfügen oft über fundiertes Wissen über den Markt in ihrem Herkunftsland; dieses Wissen umfasst die Sprache sowie Kenntnisse zu den dortigen sozialen und geschäftlichen Netzwerken und der Geschäftspraxis. Dieses Wissen sowie der Zugang, den sie zum Markt im Aufnahmeland haben, kann Import- sowie Exportkosten senken.
(2) Effekte durch die Vorlieben von Einwanderern: Infolge einer verstärkten Nachfrage von Einwanderern nach Produkten aus ihren Herkunftsländern steigen die Importe dieser sogenannten „Nostalgiegüter“ in die Aufnahmeländer. Auf lange Sicht können diese Importe aber wieder sinken, wenn die Zahl der Einwanderer aus einem bestimmten Herkunftsland groß genug ist, damit Unternehmen im Aufnahmeland diese Güter selbst produzieren können.
Die Effekte der Migration auf den Handel werden häufig anhand der migrationsbedingten Elastizität des Handels beschrieben, d. h. der prozentualen Veränderung des Handels, die durch einen einprozentigen Anstieg bei der Zahl der Einwanderer verursacht wird (Genç, 2014).
Wenn ein Anstieg bei der Migration zu einem Anstieg des Handels führt, besteht in wirtschaftlicher Hinsicht eine positive Wechselwirkung. Wenn Migrantinnen und Migranten beispielsweise die Transaktionskosten des Handels senken und die Nachfrage nach „Nostalgiegütern“ steigt, ist ein verstärkter Handel zwischen dem Herkunfts- und dem Aufnahmeland zu verzeichnen.
Wenn andererseits eine Zunahme der Migration zu einem Rückgang des Handels führt, besteht in wirtschaftlicher Hinsicht eine negative Wechselwirkung. Wenn zum Beispiel ein Anstieg beim Handel neue Beschäftigungsmöglichkeiten schafft und dadurch Fortschritte im Bildungs- und Sozialbereich in den Herkunftsländern entstehen, so sind unter Umständen weniger Menschen geneigt, auszuwandern.
Wesentliche Trends
Eine quantitative Überprüfung von 48 Studien zwischen 1994 und 2010 zeigt, dass die migrationsbedingte Elastizität des Handels in einer Mehrzahl der Fälle positive Wechselwirkungen aufzeigte. Aus den Untersuchungen zur migrationsbedingten Elastizität des Handels ließ sich ableiten, dass ein zehnprozentiger Anstieg bei der Zahl der Einwanderer zu einem durchschnittlichen Wachstum des Handels von 1,5 Prozent führen kann (vgl. Genc, Gheasi, Nijkamp and Poot, 2012). So wird geschätzt, dass ein zehnprozentiger Anstieg bei der Zahl der Einwanderer zu einem Anstieg der Exporte aus den Vereinigten Staaten um 4,8 Prozent sowie zu einem Anstieg der Importe in der Schweiz um 3 Prozent führte, wobei bei dieser Schätzung bestimmte Indikatoren vor dem Jahr 2000 nicht berücksichtigt werden konnten (ebenda). Migration und internationaler Handel weisen in der Regel positive Wechselwirkungen auf (vgl. ein in Kürze veröffentlichter IOM-Bericht von Cottier und Shinghal, 2019).
Bei punktuellen Betrachtungen scheinen sowohl Ein- als auch Auswanderung einen konstanten, signifikanten Effekt auf den Handel zu haben. Berücksichtigt man jedoch bilaterale Handelsbeziehungen, scheint die Migration jedoch langfristig einen nachrangigen Effekt auf den Handel zu haben (Parsons, 2012). Eine nationale Betrachtung der Auswirkungen von Migration auf den Handel zeigt, dass Migration sowohl fördernd als auch hemmend auf den Handel wirken kann (ebenda).
Das bilaterale Handelsvolumen ist größer, wenn auch der Einwanderungskorridor größer ist (Fagiolo and Mastrorillo, 2014). Einwanderung aus Drittländern kann bilaterale Importe weiter ankurbeln, wenn in den Herkunftsländern ein hoher Schutz durch Zölle besteht (Figueiredo, Lima and Orefice, 2016). Ein Anstieg der Einwanderung um 1 Prozent führt ferner dazu, dass Unternehmen im Aufnahmeland 6 bis 10 Prozent mehr Dienstleistungen in das Herkunftsland der Einwanderer exportieren (Gianmarco, Peri and Wright, 2015).
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Datenquellen
Handelsdaten werden sowohl von nationalen als auch von internationalen Quellen bezogen. Nationale Berichte und Datenbanken liefern Daten zu bilateralen Importen und Exporten, während internationale Organisationen einen Datenvergleich ermöglichen. Die Konferenz der Vereinten Nationen für Handel und Entwicklung (UNCTAD) erfasst und analysiert ein umfassendes Datenvolumen aus nationalen und internationalen Quellen. Von besonderem Interesse dabei sind die Wechselbeziehungen zwischen Handel und wirtschaftlicher Entwicklung. Die Welthandelsorganisation (WTO) ermöglicht den Vergleich von Daten zu Handelsabkommen und -beziehungen sowie zum Marktzugang. Die World Integrated Trade Solution (WITS) ist eine von der Weltbankgruppe in Zusammenarbeit mit der UNCTAD sowie weiteren Organisationen entwickelte Software, die den Zugriff auf Außenhandels- und Zolldaten ermöglicht.
Dienstleistungsdaten sind ebenfalls wichtig, wenn es darum geht, die Wechselbeziehungen von Migration und Handel zu verstehen. UN Service Trade ist eine Datenbank der UN-Statistikabteilung mit Informationen zum Dienstleistungshandel. Die Export Value Added Database (EVAD) der Weltbankgruppe und die Datenbank Trade in Value Added (TiVA) sind Referenzen zum Thema Handel und Wertschöpfung. Das Handbuch Manual on Statistics of International Trade (MSITS) der Interagency Task Force on Statistics of International Trade in Services (TFSITS) ist ein weltweit anerkanntes Rahmenwerk, das einen beachtlichen Erkenntnisgewinn darstellt und den Datenvergleich im Bereich des internationalen Dienstleistungshandels ermöglicht.
Daten zu Migrationsbeständen und zur Zerstreuung sind von wesentlicher Bedeutung, wenn es darum geht, die Beziehungen zwischen Einwanderung und Handel zu verstehen. Die Abteilung für wirtschaftliche und soziale Angelegenheiten der Vereinten Nationen (UN DESA) verwendet Daten der nationalen Statistikämter zu Herkunftsländern sowie zur Staatsbürgerschaft, um Schätzungen der weltweiten Migrationsbestände vorzunehmen.
Von der Forschung und internationalen Organisationen vorgenommene ökonometrische Studien ziehen verschiedene Datenquellen heran und vergleichen diese, um die Wechselbeziehungen zwischen Handel und Migration – zwei wesentliche Faktoren der wirtschaftlichen Entwicklung – zu untersuchen.
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Methodische Stärken und Schwächen
Handel und Migration treiben die wirtschaftliche Entwicklung maßgeblich voran; diverse politische Themenfelder sind von deren Wechselbeziehungen betroffen. Jedoch sind die Daten zu solch internationalen Phänomenen nicht hinreichend spezifisch, um daraus faktenbasierte politische Entscheidungen ableiten zu können. Je nach Region oder Land gibt es erhebliche Unterschiede bei der Verfügbarkeit von Daten. Dies kann die Datenerhebung erschweren. Außerdem unterscheidet sich die Bewilligungspraxis bei zeitbefristeten Aufenthaltsgenehmigungen. Dies erschwert die Vergleichbarkeit von Daten.
Dazu steht die Erhebung von Handelsdaten, insbesondere im Dienstleistungsbereich, erst seit kurzem im Interesse. Länder, die sich an der Erhebung von Daten zum Dienstleistungshandel beteiligen und dabei die im GATS definiterten Erbringungsarten heranzogen, mussten häufig feststellen, dass eine Handelsbeziehung unter diversen Gesichtspunkten betrachtet werden kann. Dies erschwert eine eindeutige Zuordnung von Daten (Mashayekhi, Antunes and Kidane, 2017).
Ältere ökonometrische Studien verwenden mehrheitlich sektorenübergreifende Daten (die Beziehungen der Handelspartner wurden jeweils zu einem bestimmten Zeitpunkt untersucht). Bei einem solchen Datenvergleich werden jedoch bestimmte Faktoren wie zum Beispiel historische, kulturelle oder politische Verbindungen außer Acht gelassen (Parsons, 2012). Bei ihrer Analyse berücksichtigen solche Studien methodische Fortschritte nicht hinreichend. So ist es im Rahmen der Auswirkungen von Migration auf den Handel mittlerweile möglich, die Kausalitätsstärke und -richtung zu bestimmen (Genç, 2014). Die im Zuge dieser Studien verwendeten Daten schlüsseln den Migrationsbestand zudem nicht hinreichend nach Qualifikationsniveau und beruflichen Tätigkeiten auf. Auch Daten, welche die Vielfalt der Handelsgüter und bilateralen Beziehungen zwischen Herkunfts- und Zielland berücksichtigen, fehlen, obwohl es sich dabei um wichtige Faktoren handelt (ebenda).
Weiterführende Literatur
Bowen, H. P., and Wu, J. P. |
2013 |
Immigrant Specificity and the Relationship between Trade and Immigration: Theory and Evidence. Southern Economic Journal, 80(2), 366–384. |
Campaniello, N. |
2014 |
The causal effect of trade on migration: Evidence from countries of the Euro-Mediterranean partnership. Labour Economics, 30, 223–233. |
Cottier, T. and Shingal, A. |
2019 |
Migration, International Trade and Foreign Direct Investment in the 21st Century: Towards a new Common Concern of Humankind, IOM Paper, Forthcoming 2019 |
Fagiolo, G., and Mastrorillo, M. |
2014 |
Does human migration affect international trade? A complex-network perspective. PLoS ONE, 9(5), 1–20.
|
Figueiredo, E., Lima, L. R., and Orefice, G. |
2016 |
Third Country Effect of Migration: The Trade-Migration Nexus Revisited. CEPII Working Paper. |
Genç, M. |
2014 |
The impact of migration on trade. IZA World of Labor 2014: 82 |
Genç, M., Gheasi, M., Nijkamp, P., and Poot, J. |
2012 |
The impact of immigration on international trade: A meta- analysis. In P. Nijkamp, J. Poot, & M. Sahin (Eds.), Migration Impact Assessment: New Horizons (pp. 301–337). Cheltenham: Edward Elgar Publishing Limited. |
IOM, OECD and World Bank |
2003 |
Trade and Migration: Building Bridges for Global Labour and Mobility, OECD Publishing, Paris |
Mashayekhi, M., Antunes, B., and Kidane, M. J. |
2017 |
Trade, Migration and Development. In Handbook for Improving the production and use of Migration Data for Development. Global Knowledge Partnership for Migration and Development (KNOMAD), World Bank, Washington, DC. |
Mattoo, A. and Carzaniga, A. (Eds.) |
2003 |
Moving People to Deliver Services. Oxford University Press and World Bank, Washington, D.C. |
Ottaviano, G., Peri, G., and Wright, G. |
2015 |
Immigration, trade and productivity in services. VoxEU -- CEPR Policy Portal. |
Parsons, C. R |
2012 |
Do Migrants Really Foster Trade? The Trade-Migration Nexus: a Panel Approach 1960–2000. Policy Research Working Paper; No. 6034, World Bank, Washington, D.C. |
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